Contagious Choreographies

Contagious Choreographies
Politik und Ästhetik der Gesten

by Gabriel Fontana
by Lila Athanasiadou
by Carmen Jose

Contagious Choreographies beschäftigt sich mit der politischen, sozialen und kulturellen Geschichte von alltäglichen Gesten. Die Teilnehmenden befassen sich eingehend mit dem Ursprung dieser Gesten, versuchen ihre Entwicklungsgeschichte abzubilden und die Mechanismen zu dekonstruieren, innerhalb derer diese Gesten verwendet werden. Zu diesem Zweck werden die Teilnehmenden in dieser Aufgabe dazu aufgefordert, achtsamer gegenüber Körpersprache und dem kulturellen und sozialen Kontext von Körpern zu sein, sowie in Performance-Techniken eingeführt, die ihnen ermöglichen, Alltags-Gesten zu reflektieren, zu problematisieren und zu rekontextualisieren.

Gesten sind stets in spezifische kulturelle und politische Kontexte eingebettet und die Körper, die sie vollziehen, sind sozial konstruiert – hinsichtlich Gender, Race, Alter und sozialen Status und der damit verbundenen Erwartungshaltungen. Diese Aufgabe will sich mit dem Körper als kulturelles und politisches Archiv beschäftigen. Die Teilnehmenden führen eine archäologische Studie von Gesten durch. Sie lernen, wie sie Gesten dekontextualisieren, remixen und schließlich rekontextualisieren können, und denken spekulativ über das performative und soziale Potenzial von Gesten nach. Im Zuge von Recherche über zeitgenössische Medien und Präsentationsformen sowie performativen Übungen machen sich die Studierenden mit alltäglicher Performanz vertraut und erlernen, wie Körpersprache soziale Normen herausfordern kann.

Die Teilnehmenden lernen in dieser Aufgabe:

  • achtsam gegenüber Körpersprache, nonverbaler Kommunikation und den Kontexten, in denen sie Gesten performen, zu sein
  • soziale, kulturelle und genderbezogene Normen zu reflektieren, die Körper in sich tragen, wenn sie bestimmte Gesten performen
  • eben diese Normen zu dekonstruieren, indem sie Gesten in kollaborativen Performances rekontextualisieren
  • A1
    Einführung (60 Minuten, 20 Minuten davon Fragen/Diskussion)
    In der ersten Einheit findet eine Einführung des Themas und der Aufgabe statt sowie eine Diskussion darüber, was eine Geste ist und wie sie Bedeutung übermittelt. In dieser Einführung wird ein nicht vollständiges Archiv der Geschichte der ‚Daps‘ – verschiedenste der Formen von vor allem händischen Begrüßungsgesten – vorgestellt, mit Inhalten aus Gesellschaftstheorien, Kunst, diasporischer Geschichtsschreibung, Musikvideos, Memes und politischem Diskurs. Auch die Arbeit von Alexis Blake und Martin Syms könnte darin vorkommen, als Beispiele für De- und Re-Kontextualisierungen von Gesten. Hier ein Template für die Folien der Präsentation.
    https://docs.google.com/presentation/d/1siFYMtyRVBWIMIIIDdwaqWK0gZ83cITq
    Direkt im Anschluss an den Vortrag sollte die Gruppenbildungs-Übung gemacht werden.
  • A2
    Gruppenbildungs-Übung (40 Minuten)
    Schritte dieser Übung:

    • Jede teilnehmende Person soll eine Geste aus ihrem alltäglichen Leben beschreiben und performen, die mit Arbeit, Freizeit oder Care zu tun hat. Die Studierenden sollen jene Gesten, die sie nachempfinden können, schriftlich festhalten.
    • Jede teilnehmende Person soll:
      • eine Geste einer anderen Person imitieren und dann mit einer eigenen Geste darauf antworten.
      • Paare werden gebildet, die Gesten weiterperformt.
      • Die Paare performen die Gesten so lange, bis eine weitere Person sich anschließt und somit Dreiergruppen entstehen.
  • A3
    Kollektives Körper-Lexikon (2 Stunden)
    In diesem Aufgabenschritt wählen die Teilnehmenden (in den eben geformten Gruppen) aus einer von der Lehrperson bereitgestellten Liste eine bestimmte Geste aus. Sie sollen im Folgenden die Geschichte dieser Geste recherchieren, sich mit den Kontexten, in der diese Geste vorkommt, auseinandersetzen (digitaler Raum, physischer Raum, andere Kontexte), sowie mit den Körpern, die sie performen und der historischen Entwicklung der Geste. Danach fordert die Lehrperson die Teilnehmenden dazu auf, auf Basis der folgenden Fragen eine kleine visuelle Präsentation vorzubereiten. Dabei sollen die Teilnehmenden dazu ermutigt werden, audiovisuelles Material aus Online-Recherche zu verwenden: Musikvideos, Filmausschnitte, GIFs auf Social Media, Videotutorials etc. Zusätzlich können sie Zeichnungen oder Fotografien machen.

    • Die Fragen zur Orientierung:
      • Wo kommt die Geste vor, hinsichtlich des Ortes, aber auch der Zeit?
      • Hat sie sich im Lauf der Zeit weiterentwickelt, und warum? Steht die Geste in Verbindung zu einem bestimmten historischen Moment, einer bestimmten Technologie, einem bestimmten Medium?
      • Was ist die kulturelle Bedeutung der Geste? Meint sie in unterschiedlichen Kulturen unterschiedliche Dinge?
      • In welchen anderen Kontexten kommt die Geste vor?
      • Wie ist die Geste von einem Körper zum nächsten gereist (Filme, Gemälde, Migration, Technologie etc.)?
      • Inwiefern hat die Geste je nach dem Körper (Alter, Fähigkeiten, Gender, Race, Klasse), der sie performt, verschiedene Bedeutungen?
  • A4
    Das Lexikon performen (2 Stunden)
    Anschließend an die Aufgabe A3 performen die Teilnehmenden ihre Geste nun in einem 2-minütigen Video, auf 9 Arten. Hier einige Möglichkeiten:

      • Sehr langsam
      • Sehr schnell
      • Sich wiederholend/im Loop
      • Umwandeln in ein Tutorial/Aufschlüsseln in Einzelschritte
      • Nur mit dem Gesicht
      • Nur mit den Händen
      • Mit dem ganzen Körper
      • Interagieren mit einer anderen Person
      • Interagieren mit einem nicht-menschlichen Körper (Tiere, Pflanzen, Objekte)
    • Jede Gruppe zeigt ihr 2-minütiges Video allen anderen. Nach der Präsentation gibt es sogleich Feedback und eine Diskussionsrunde. Hier ein paar Fragen und Prompts für die Teilnehmenden:
      • Wie verändert sich die Bedeutung der Geste durch die unterschiedlichen Arten des Performens?
      • Wie verändert sich die Bedeutung der Geste, je nachdem, wer aus der Gruppe sie performt?
      • Was passiert, wenn der Kontext der performten Geste geändert wird?
      • Wie kann die Geste basierend auf ihrer Geschichte und Entwicklung sowie in Bezug auf die Zusammensetzung der Gruppe problematisiert werden? Gibt es in der Entwicklungsgeschichte Aspekte, die Gender, Race, Klasse oder andere Vorannahmen transportieren?
  • A5
    Das Archiv remixen (2 Stunden)
    Aufbauend auf die vorangegangene Diskussion verändern die Gruppen in diesem Aufgabenschritt ihre Geste oder stellen ihr eine andere Geste gegenüber.Jede Gruppe erstellt eine kurze Präsentation, die:
    • die Geschichte der Geste mit Fokus auf die Elemente, die vonseiten der Gruppe verändert oder gekontert wurden, reflektiert.
    • die eigene Position reflektiert. In Bezug auf ihre jeweilige Zusammensetzung sollen die Gruppen ihre neue Geste in einem bestimmten Kontext situieren und diesen beschreiben.
    • die neue Geste performt und beschreibt, wie sie sich im Vergleich zu ihrer Ursprungsform verändert hat.
    Die Gruppen präsentieren die kollektive Entwicklung ihrer Gesten in einer Bilder-Serie oder Video-Serie.
Das Bild setzt sich aus einer Serie von kleinen Bildern zusammen, die in einem Raster aus sechs Spalten und vier Reihen angeordnet sind. Die Einzelbilder sind von links oben nach rechts unten zu lesen und stellen eine Hand dar, die mit Kreide einen Kreis auf ein Blatt Papier zeichnet. Alle Bilder sind Schwarzweiß und mittels Lichtdruckverfahren hergestellt. Nur die Hand der Person ist sichtbar, der Hintergrund ist schwarz.
Movement of the hand, a hand drawing a circle. Collotype after Eadweard Muybridge, 1887

Movement of the hand, a hand drawing a circle. Collotype after Eadweard Muybridge, 1887 by Eadweard Muybridge is licenced with CC BY 4.0

Diese Aufgabe basiert auf dem Projekt Contagious Choreographies von Gabriel Fontana, Lila Athanasiadou und Carmen Jose für Bachelorstudierende an der Willem de Kooning Academie in Rotterdam.

Author’s Encouragement
Wir performen Gesten täglich, aber hinterfragen ihre Herkunft und die Kontexte, aus denen sie stammen, nur selten. Diese Übungen geben Raum für improvisierte Perfomances und kritische Diskussion darüber, wie wir durch Körpersprache Stereotypen transportieren.

Prior Knowledge and Preparation
Für die Lehrperson:
Machen Sie sich im Vorhinein mit dem Material vertraut. Erstellen Sie eine Liste von Gesten, die das Potenzial haben, verändert zu werden. Versuchen Sie Gesten zu vermeiden, die nur die Hände involvieren oder sehr trivial sind. Gesten mit dem gewünschten Potenzial sind zum Beispiel: Telefonanrufs-Geste, Scrolling, verschiedene Gesten aus Arbeitskontexten (https://www.labour-in-a-single-shot.net/en/films/), Ausruhens-Gesten, Care-Gesten, Widerstands-Gesten, sportbezogene Gesten, den ganzen Körper involvierende Gesten.

Für die Teilnehmenden:
Die Teilnehmenden sollten grundlegende Fähigkeiten in Recherche mitbringen und in der Lage sein, kurze Präsentationen zu erstellen und zu halten.

Accessibility:
Assistance for Learners
Da die Aufgabe sehr abhängig von visuellen Materialien ist, sollte die Lehrperson sicherstellen, dass für Teilnehmende mit Sehschwächen oder Sehbehinderungen textbasierte Alternativen zu Verfügung stehen. Um ihre Arbeit zu archivieren und zu präsentieren, wird den Teilnehmenden geraten, eine frei zugängliche Plattform wie HOTGLUE zu verwenden.