Spaziergang

Spaziergang
in der Stadt der Möglichkeiten

by Sophie Lingg

Ausgehend von einem gemeinsamen Stadtspaziergang sollen Schüler:innen oder auch Studierende mit der und für die Spaziergangs-Kartenspiel-App Dérive eigene Karten/Scores erstellen, zu den Schwerpunkten Stadt, Klima und Umwelt. Die Wahrnehmung der Umgebung mit allen Sinnen, die Reflexion von gebauter Stadtumgebung, Verkehr, Freiflächen, Baumaterial und Natur stehen im Mittelpunkt. Ziel ist es, während des Spazierens das Nachdenken über Stadt, Alltagswege und Umwelt auf lustige, spielerische Weise anzuregen. Die ausgearbeiteten Karten werden als Klassenspiel der Dérive-Bibliothek beigefügt.

In ihrem 2020 veröffentlichten Buch „Feminist City“ stellt Leslie Kern die Frage: „Wer gestaltet die Stadt?“ Sie schreibt: „Aktivist*innen drängten unnachgiebig zu wichtigen Veränderungen in den Bereichen Städtebau, Methoden des Polizierens [‚Als Polizieren wird eine Gewaltausübung in Form von Diskriminierung, Überwachung und Kontrolle aus rassistischen, sexistischen, misogynen, sozio-ökonomischen, ableistischen Gründen sowohl im Privaten als auch im Öffentlichen bezeichnet.‘] und Dienstleistungen, um den Bedürfnissen von Frauen besser zu entsprechen.“ (Kern: 13)

In einer Stadt leben unterschiedliche Menschen, mit unterschiedlichen Interessen und Ideen – aber auch ganz wesentlich unterschiedlichen Möglichkeiten: Fragen von Mobilität und Geschlecht sowie nach finanziellen Mitteln kommen ganz offensichtlich in den Sinn (Wer bewegt sich wo? Warum fehlen gewisse Bevölkerungsgruppen hier?), aber auch Fragen danach, wer die Entscheidungstragenden sind: Was wünschen sich ältere Menschen oder Kinder? Was brauchen Wildvögel, Tauben, Bienen, Schmetterlinge, Würmer – für ein gutes Leben? Wie können die unterschiedlichen Probleme – von ökonomischem Druck auf die Bewohnenden über rassistische, misogyne und sexualisierte Gewalt bis hin zu den unzureichenden Maßnahmen im Kampf gegen die Klimakrise und die Überhitzung der Städte – adressiert und bewusst gemacht werden? Und wann wird es endlich illegal, für eine Stadtstraße hunderte Bäume unter Polizeischutz roden zu lassen? (So geschehen in Wien, am 1.2.2022, als ein Protestcamp gegen ein riesiges Straßenbauprojekt geräumt wurde: https://orf.at/stories/3245819 bzw. https://lobaubleibt.at)

  • Arbeitsschritte:
    • Die Lehrperson sollte sich in Grundzügen mit der Dérive App auskennen. Diese ist nicht schwer zu erlernen.
    • Die Lehrperson sollte sich mit „Dérive“ als künstlerischer Methode auseinandersetzen, wobei hier wichtig zu betonen ist, dass die kunstgeschichtliche Darstellung im Bezug auf stadtgesellschaftliche Ausschlüsse bestimmt auch kritisch zu betrachten ist (Wer bewegt sich wo, wann und wie durch die Stadt?).
    • Die Lehrperson sollte sich mit „Scores“, den im Kunst-Kontext seit dem Fluxus gerne angewandten Handlungsanweisungen, auseinandersetzen.
  • Aufgaben:
    • A1: Exkursion in die unmittelbare oder in eine ganz andere Stadtumgebung. Unter Anleitung der Lehrperson bewegen sich die Schüler:innen bzw. Studierenden durch die Stadt (falls in einer großen Gruppe gegangen wird, wäre vielleicht ein Park nützlich). Die Lehrperson leitet an: die Richtung, die Blicke; Wonach riecht es? Was seht ihr? Was ist unsichtbar und doch da? Wer ist in der Umgebung unterwegs? Wer fehlt? Wie halten sich die Menschen hier auf? Wie viel Natur, wie viel versiegelten Boden gibt es? Gibt es öffentliche Toiletten, Sitz- oder Liegegelegenheiten?
    • A2: In einem zweiten Schritt bewegen sich die Schüler:innen bzw. Studierenden in Kleingruppen mit der Dérive App selbstständig durch die Stadt und probieren die App aus, merken sich was gut/schlecht war.
    • A3: INPUT: Zurück an der (Hoch)Schule wird über Spaziergangswissenschaften, über Raumplanung und über Scores und Dérive als künstlerische Methode gesprochen.
    • A4: Die Schüler:innen bzw. Studierenden erstellen selbst Karten für ein Kartenspiel, das in die Dérive App eingespeist wird. Themen des Kartendecks: Klima, Umwelt und Stadt.
    • A5: Das Spiel wird im Stadtraum erprobt.
Abgebildet ist ein Score, eine Handlungsanweisung der App. Die Fotografie zeigt einen sonnigen Gehsteig, mit Rissen im Asphalt. Unter der Fotografie steht folgender Score: „Kannst du mehr als 5 Minuten im Schatten gehen? Mache ein Foto von einem Ort der dringend Beschattung bräuchte.“
Spaziergang in der Stadt der Möglichkeiten by Miriam Raggam-Alji

Spaziergang in der Stadt der Möglichkeiten © 2022 by Miriam Raggam-Alji is licensed under CC BY-SA 4.0

Sophie Lingg, arbeitet am Fachbereich Kunst und Bildung der Akademie der bildenden Künste Wien.

Author’s Encouragement
Die Idee kann in unterschiedlichen Lernkontexten und in kürzeren und längeren Versionen umgesetzt werden. Die Dérive App ist relativ einfach zu bedienen, hat viele Funktionen und kann auch für andere Projekte nützlich sein (bei Exkursionen in andere Städte z. B.). Schüler:innen bzw. Studierende können sich sehr einfach selbstständig mit der App beschäftigen. Die App fördert überdies die Bewegung an der hoffentlich frischen Luft.