Museumskanon-Reflexion: Das Kartenspiel

Museumskanon-Reflexion: Das Kartenspiel
Kollaborative Auseinandersetzung mit Sehgewohnheiten von Schüler:innen und Ausstellungslogiken von Museen

by Moritz Klinger
by Julia Schmid

Schüler:innen erstellen kollaborativ ein Kartenset und lernen, wie ein Kunstkanon entsteht und welchen Platz Museen in diesem Zusammenhang einnehmen. Schüler:innen kommen in diesem Projekt mit dem Onlineauftritt von Museen in Kontakt, recherchieren künstlerische Positionen und arbeiten gestalterisch, indem sie sich aktiv mit etablierten künstlerischen Arbeiten auseinandersetzen und diese interpretieren. Sie lernen die Anwendung von einfachen Grafikprogrammen kennen und erweitern ihre Kenntnisse im Bereich digitaler Kunst. Außerdem setzen sich die Schüler:innen kritisch mit den Ausstellungspraxen von Museen und ihren eigenen Sehgewohnheiten auseinander.

Dieses Unterrichtskonzept verbindet theoretische Wissensvermittlung über den Museumskanon mit gestalterischer kollaborativer Projektarbeit.

Schüler:innen suchen sich zu Beginn der Arbeit auf einer Museumswebsite eine:n bildende:n Künstler:in und drei dazugehörige künstlerische Arbeiten aus. In der Wahl des Museums sind die Schüler:innen komplett frei. Optimal wäre es, eine große internationale Spannbreite an Museen abzubilden. Auch in der Wahl der Kunstschaffenden und der Werke soll den Schüler:innen möglichst viel Freiraum gelassen werden. Schließlich sollen sie ihre Wahl schriftlich vorstellen und begründen. Weitere Recherchen hierfür müssen sich nicht auf die gleiche Museumswebsite begrenzen. Als Hilfestellung könnte man Schüler:innen die Website des MAK und des Belvederes vorschlagen, da diese beiden Wiener Museen große Teile ihrer Sammlungen online und kostenlos zeigen. Schüler:innen üben durch diese Aufgabe, die Informationssuche über Künstler:innen und ihre Arbeiten.

In einem zweiten Schritt zieht jede:r Schüler:in zwei Karten aus einem französischen Set von 48 Karten. Diese sollen von allen Lernenden personalisiert werden, indem sie sich aus ihren vorgestellten Kunstwerken zwei aussuchen, die sie analog adaptieren und vereinfachen und schließlich digital mit Gimp oder Photoshop bearbeiten. Dafür bekommen sie ein leeres digitales Kartentemplate mit ihren beiden gezogenen Karten. Ziel ist es, dass die Schüler:innen ausgehend von anderen Werken, ihre eigenen gestalterischen Arbeiten entwickeln. Schüler:innen können bei der Adaption der ausgewählten Werke unterstützt werden, indem ihnen nahegelegt wird, die ausgewählten Werke zu abstrahieren, Details der Werke zu entnehmen oder mit gröberen analogen Werkzeugen zu arbeiten, die ein einfaches „Nachzeichnen“ stark erschweren. Besonders viel kreatives Potential haben Schüler:innenarbeiten, die nicht von zweidimensionalen Kunstwerken ausgehen. Zum Beispiel könnte es interessant sein, eine Performance als Spielkartendesign zu interpretieren. Wichtig ist für die Umsetzung, dass die Schüler:innen einen Abstand zum Kartenrand einhalten und den Kartenwert nicht überdecken. Für unser Kartenbeispiel haben wir eine Installation von Rebecca Horn (Concert for Anarchy 1990) mit Bleistift skizziert, die Skizze fotografiert und auf Gimp bearbeitet und mit einem Kartentemplate verankert.

Die Schüler:innen bekommen eine kurze Einführung in das Programm Gimp. Dieses ist kostenlos, muss aber auf dem Computer installiert sein. Trotzdem bietet es sich als Alternative zu Photoshop an. Den Schüler:innen wird eine Datei mit unillustrierten Spielkarten zur Verfügung gestellt, die sie öffnen und bearbeiten sollen. Sie fotografieren oder scannen ihre analogen Arbeiten und laden sie als Ebenen in die Gimp-Datei und bearbeiten sie nach Wunsch. Am Ende exportieren sie die Datei in einer vorgegebenen Größe und einem vorgegebenen Format. Die Schüler:innen erlernen in diesem Arbeitsschritt den Umgang mit einem einfachen digitalen Grafikprogramm und treffen gestalterische Entscheidungen.

In der letzten geplanten Unterrichtseinheit erhalten die Schüler:innen ihre Spielkarten in laminierter Form (optional) und schneiden sie aus. Dann werden die Karten auf einen großen Tisch gelegt und nach unterschiedlichen Kriterien gemeinsam sortiert und aufgelegt. (Sortierung nach Motiv, nach Thema, nach ursprünglichem Medium, nach Gender der Künstler:innen, nach Herkunftsland der Künstler:innen, nach Standort des Museums.) Es geht nicht darum, die Schüler:innen und ihre Entscheidungen bloßzustellen, sondern gemeinsam eine kleine Form von Statistik anzulegen und über die Entscheidungen zu reflektieren, die bei der ursprünglichen Künstler:innenwahl getroffen wurden. Anschließend folgt eine Präsentation über Kanonbildung und die Bedeutung von Museen in diesem. Künstler:innen, die man in diesem Zusammenhang referenzieren könnte, sind Stanislaus Medan mit seinem Women Artist Research Pool und die Guerilla Girls mit ihren museumskritischen Postern.

1. Einheit: Projektvorstellung, Aufgabenstellung: Recherche von Künstler:innen und drei ihrer Arbeiten auf Museumswebsites, schriftliche Präsentation der ausgesuchten Künstler:innen und ihrer Werke.

2. Einheit: Ziehen von Spielkarten, analoge Adaption/Interpretation von 2 ausgesuchten Werken.

3. Einheit: Weiterarbeiten an den analogen Werken, Einführung in das Programm Gimp.

4. Einheit: Digitale Bearbeitung der Karten in Gimp.

5.Einheit: Karten Ausdrucken/Ausschneiden, Karten sortieren und auflegen (Sortierung nach Motiv, nach Thema, nach ursprünglichem Medium, nach Gender der Künstler:innen, nach Herkunftsland der Künstler:innen, nach Standort des Museums.), Kanon und Museumskritik: Theorie und Reflexion.

Auf dem Foto ist ein mit Bleistift gezeichneter Konzertflügel zu sehen, der verkehrt an der Decke eines Raumes hängt.
Bleistiftskizze Konzertflügel

Bleistiftskizze Konzertflügel © 2024 by Moritz Klinger, Julia Schmid is licensed under CC BY-SA 4.0

Auf dem Foto ist ein Screenshot des Grafikprogrammes Gimp abgebildet. Eine Spielkarte wird bearbeitet. Auf ihr ist eine bearbeitete Zeichung von einem Konzertflügel zu sehen, der verkehrt an der Decke eines Raumes hängt, zu sehen
Screenshot Spielkarte in progress

Screenshot Spielkarte in progress © 2024 by Moritz Klinger, Julia Schmid is licensed under CC BY-SA 4.0

Beispiel Spielkarte

Beispiel Spielkarte © 2024 by Moritz Klinger, Julia Schmid is licensed under CC BY-SA 4.0

Moritz Klinger und Julia Schmid studieren am Fachbereich Kunst und Bildung auf der Akademie der bildenden Künste Wien.

Author’s Encouragement
Wir freuen uns, wenn du unsere Idea ausprobierst, weiterentwickelst oder umstrukturierst, da sie Schüler:innen die Möglichkeit bietet, im Rahmen eines künstlerischen Projekts mit unterschiedlichsten Medien sich kollaborativ und reflexiv mit gängigen musealen Ausstellungspraxen auseinanderzusetzen.

Prior Knowledge and Preparation

  • Verständnis für Kanon und museale Ausstellungspraxen
  • Grundkenntnisse von GIMP oder Photoshop
  • Zugang zu Farbdrucker
  • Zugang zu Scanner oder Smartphones/ Kamera
  • Zugang zu einem Laminiergerät (optional)
  • Zugang zu Internet und Computer mit Grafikprogrammen für Schüler:innen

Accessibility
Sollte dieses Projekt zu viel Zeit in Anspruch nehmen, besteht die Möglichkeit es zu verkürzen, indem auf die Erstellung eines vollständigen Kartendecks verzichtet wird. Man könnte Schüler:innen entweder nur eine Spielkarte pro Person gestalten lassen und den Rest des Decks als ungestaltete Karten hinzufügen.