Erforschen und Umgestalten von Mensch-Ding-Konstellationen

Erforschen und Umgestalten von Mensch-Ding-Konstellationen

by Annemarie Hahn

Wer ist eigentlich mit wem und womit und auf welche Weise verbunden? Was beeinflusst unser tägliches Handeln? Wer hat unter welchen Umständen welche Handlungsmöglichkeiten? Und wer oder was ist es, die:der tatsächlich handelt?
Diese Aufgabenstellung soll dazu anregen, den Einfluss von Dingen aller Art auf das menschliche Handeln im Allgemeinen und das ästhetische Handeln im Besonderen zu untersuchen. Sie gibt klare Handlungsanweisungen für Gruppen, die diese Beziehungen gemeinsam erforschen und spekulative Zukunftsszenarien vor dem Hintergrund der digitalen Kultur entwickeln sollen.

In pädagogischen und insbesondere in kunstpädagogischen Bereichen werden Ideen, Handlungen und Verantwortlichkeiten noch immer häufig auf einzelne Personen reduziert, obwohl soziale und technologische Infrastrukturen sowie Dinge und räumliche Situationen Einfluss auf die Fähigkeiten und Handlungsmöglichkeiten der handelnden Personen haben.
Diese Aufgabe gibt eine kurze Anleitung, wie man untersuchen kann, wer in welche Konstellationen involviert ist. Ziel ist es, zu untersuchen, welche Mechanismen der Inklusion und Exklusion in sozialen Strukturen, insbesondere im Kontext der digitalen Kultur, eine Rolle spielen.
Diese Aufgabe ist als Einführung in neomaterielle Theorien für Studierende konzipiert, kann aber auch mit Schüler:innen ohne diesen Hintergrund durchgeführt werden. Ziel ist es, soziale Determinanten zu verstehen, auch ohne Kenntnis der entsprechenden Theorien. Dazu wird eine Unterrichts- oder Workshop-Situation angeboten, in der ohne Vorkenntnisse Beziehungen sichtbar und verhandelbar werden.

  • Vorbereitung
    Die Lehrperson, Organisator:in oder Workshopleiter:in druckt die angehängten Karten in entsprechender Anzahl aus.
  • A1
    Nimm dir etwas Zeit, um dich in deinem gegenwärtigen Umfeld genau zu beobachten. Beweg dich beim Beobachten, schau aus dem Fenster, betrachte die anderen Menschen hier.
    Was davon ist von digitaler Kultur beeinflusst und was nicht?
    Schreib jede deiner Beobachtungen auf eine Karte und hefte sie an die Wand.
  • A2
    Mach einen halbstündigen Spaziergang in der Umgebung. Beobachte, was digital beeinflusst ist und was nicht. Mach dir Notizen.
  • A3
    Schau dir deine Beobachtungen vom Spaziergang an und überprüfe, ob die Begriffe, die du im ersten Schritt aufgeschrieben hast, noch stimmen. Du kannst sie jetzt verändern oder ergänzen.
  • A4
    Jetzt werden die Arbeitsaufträge, die diesem Assignment anhängen, relevant:
    Ich möchte euch bitten, 3 der 8 vorgegebenen Aufgaben zu bearbeiten.
    Ihr könnt völlig frei wählen.
    Für jede Aufgabe habt ihr 5 Minuten Zeit.
    (Ich zeige dann am Beamer einen Countdown, von 5 Minuten, ohne Ton. Diese Videos findet man z. B. auf YouTube.)
    Ich drucke die Aufgaben auf A6 aus und hänge mit Klammern Karteikarten und Papier (je nach Aufgabe) daran. Das ist ein wenig mehr Vorbereitung, erleichtert aber den Ablauf der Session.
    Die Arbeitsergebnisse werden mit Klebeband sortiert an die Wand gehängt. Es erweist sich als hilfreich, dafür Stationen an der Wand zu definieren.
  • A5
    Clustern: Sucht euch nun in Dreier-Gruppen einen Hashtag aus, zu dem ihr arbeiten wollt.
    Bildet Cluster, sucht Ähnlichkeiten und Gegensätze.
    Bereitet euch darauf vor, eure Sortierung in 3 Minuten zu präsentieren.
  • A6
    Szenarien:
    Sucht euch, ebenfalls in Dreiergruppen, drei der bearbeiteten Hashtags aus. Überlegt euch, wie die beschriebenen Situationen ein wenig weniger ausschließend sein könnten. Baut mit egal welchem Material ein Szenario für das Jahr 2045. Denkt dabei groß. Alles ist erstmal möglich.
    Dafür sind 30 Minuten Zeit.
    (Die Lehrperson sollte im besten Fall Materialien wie Wolle, Watte. Papier, Stifte, Karton etc. zur Verfügung stellen). Jedes Material ist erlaubt.
  • A7
    Präsentiert eure Vision.

Dieses Assignment ist ein ganz basaler Einstieg in das Spannungsfeld von neomaterialistischen Theorien und Inklusion. Es bedarf keiner Literatur, um es durchzuführen, dennoch steht folgende im Hintergrund:

  • Barad, Karen (2012): Agentieller Realismus. Über die Bedeutung materiell-diskursiver Praktiken. Berlin: Suhrkamp.
  • Haraway, Donna (1988): Situated Knowledges. The Science Question in Feminism and the Privilege of Partial Perspective. In: Feminist Studies, Vol. 14, 1988, S. 575-599.
  • Klein, Kristin; Kolb, Gila; Meyer, Torsten; Schütze, Konstanze; Zahn, Manuel: Einführung: Post-Internet Arts Education. In: Jane Eschment, Hannah Neumann, Aurora Rodonò, Torsten Meyer (Hg.): Arts Education in Transition, Zeitschrift Kunst Medien Bildung | zkmb 2020.
  • Meyer, Torsten (2015): Ein neues Sujet. In: Torsten Meyer & Benjamin Jörissen (Hrsg.), Subjekt Medium Bildung (S. 93–116). Wiesbaden: Springer VS.
  • Schillmeier, Michael (2010): Rethinking Disability: Bodies, Senses, and Things. London: Routledge.
  • Stalder, Felix (2016): Kultur der Digitalität. Berlin: Suhrkamp
  • Waldschmidt, Anne (2017): Disability Goes Cultural. The Cultural Model of Disability as an Analytical Tool. In:  Anne Waldschmidt, Hanjo Berressem, Moritz Ingwersen (Hrsg.): Culture – Theory – Disability. Encounters between Disability Studies and Cultural Studies. S. 19–27. Bielefeld: transcript.
Ein Tisch mit Karten und Nagellack darauf, rund um ihnen stehende Personen, jemand hält einen Stift.
Workshop-Situation

Workshop Situation © 2022 by Annemarie Hahn is licensed under CC BY-NC-SA 4.0

Annemarie Hahn, Lehrbeauftragte an der HKB, für das Symposium „Teaching artistic Strategies. Playing with Materiality, Aesthetics, and Ambiguity”. HGK Basel, Mai 2022

Author’s Encouragement
Dieses Assignment ist als Einstieg und Sensibilisierung für die Verhältnisse von Menschen in bestimmten materiellen Settings unter digitalen Bedingungen geplant. Es hat zum Ziel, eigene Bedingtheiten und auch Privilegien kennenzulernen, dadurch, dass die eigene Involviertheit in materielle Gefüge zunächst bearbeitet und dann spekulativ für Zukunftsszenarien umgenutzt wird.

Prior Knowledge and Preparation
Die Lehrperson muss die einzelnen Arbeitsaufträge (angehängt) vorher ausdrucken und Stifte, Klebeband und Papier zur Verfügung stellen. Die Arbeitsergebnisse sollten mit Klebeband an die Wand gehängt werden. Zusätzlich ist für das Denken in Szenarien wichtig, dass einige basale Materialien, wie Wolle, Watte, Pappe, als Anregung zur Verfügung gestellt werden.
Ein Timer für die 5-Minuten-Aufträge ist hilfreich, aber nicht notwendig.

Additional Tools

  • Karteikarten
  • Klebeband
  • Stifte
  • ausgedruckte Arbeitsanweisungen