Wenn in Unterrichtssituationen Kunstwerke oder Texte besprochen oder aktuelle Themen diskutiert werden, entsteht ein breites Spektrum an Meinungen, Gedanken, Ansichten und Interpretationen, die nur in den denkbar günstigsten Szenarien vollständig verbalisiert werden können. In Remote-Bildungssettings scheinen die Hürden, sich zu äußern und zu widersprechen, noch höher zu sein, und die Moderationsfähigkeiten der Organisator:innen scheinen vermehrt gefragt zu sein, um so vielen Teilnehmenden wie möglich die Möglichkeit zu geben, sich innerhalb des Klassenraums äußern zu können.
Dieses Mikro-Assignment nutzt das Remote-Schooling-Tool Miro, um dieser Situation produktiv entgegenzuwirken. Die Idee könnte einfacher nicht sein: Die Teilnehmenden werden aufgefordert, innerhalb eines vorgegebenen „Frames“ zu bestimmten Themen, Fragen oder Gesprächsanlässen Aspekte und Begriffe, die ihnen wichtig sind, auf Sticky Notes zu notieren und gleichzeitig aufeinander zu reagieren. Dies geschieht schweigend. Das Assignment nimmt die Restriktion des Nicht-Sprechens zugunsten einer Stimmung der kollektiven Neugier und Konzentration in Kauf.
In weiteren Schritten können die hier entstehenden Konzepte (oft entstehen auch unaufgefordert Zeichnungen) in weiteren Frames kollektiv geclustert werden, um, ebenfalls schweigend, Diskussionsthemen für die weitere Arbeit zu bestimmen. Durch die schriftliche Form werden die Gedanken nicht nur produziert, sondern auch dokumentiert und können in späteren Sitzungen wieder aufgegriffen werden.

• Vorbereitung
  Die Lehrperson, Organisator:in oder Workshopleiter:in richtet ein Miro-Board mit mindestens 2 gleich großen Frames unterschiedlicher Farbe ein. Die unterschiedlichen Farben dienen nur der Orientierung. Sie verschickt den Link an alle Teilnehmenden. Grundlage ist ein beliebiger Text, ein Kunstwerk, eine Ausstellung, ein Thema etc. je nach thematischer Ausrichtung des Kurses.

• A1:
  Die Teilnehmenden werden aufgefordert, alle Begriffe, die ihnen zu dem Text, dem Kunstwerk, der Ausstellung, dem Thema etc. einfallen, jeweils auf einer Sticky Note zu posten, ohne dabei zu sprechen. Dafür sollten, je nach Thema, etwa 10 bis 15 Minuten eingeplant werden.

• A2:
  Die Teilnehmenden werden dazu aufgefordert, die Sticky Notes – ohne dabei zu sprechen – in einem zweiten Frame zu clustern. Es empfiehlt sich, die Sticky Notes nicht einfach in den zweiten Frame zu ziehen, sondern sie zu kopieren, da einige Notes zu mehreren Clustern passen. Außerdem lässt sich durch das Kopieren der Prozess nachvollziehen. Auch dafür sollten 10 bis 15 Minuten eingeplant werden.

• A3:
  Im dritten Schritt werden – nun sprechend – Überschriften zu den gefundenen Clustern erstellt. Das geschieht im Plenum, angeleitet durch die Lehrperson/Organisator:in. Ebenfalls 10 bis 15 Minuten einplanen.

Annemarie Hahn, Lehrbeauftragte an der HKB, im Studiengang MA Art Education an der Hochschule der Künste Bern und im MA-Studiengang Kultur Ästhetik Medien an der HSD Düsseldorf.

Author’s Encouragement
Lehrkräfte sollten dieses Assignment ausprobieren, weil die Sticky Note Cluster Discussion (ohne zu sprechen) es erlaubt, Stimmen von Teilnehmenden zu hören oder eher zu lesen, denen es nicht leichtfällt, sich mündlich einzubringen.
Die Methode wurde zwar für den Distanzunterricht geplant, lässt sich aber einfach in Präsenzsituationen und hybride Lehre übertragen. Zudem erfordert sie kaum Vorbereitungszeit.

Prior Knowledge and Preparation
Die Lehrperson sollte sich mit dem Tool Miro, oder einem anderen Tool, auf dem digitale Post-its verteilt werden können, vertraut machen. Es ist von Vorteil, wenn die Teilnehmenden das verwendete Tool auch kennen.